zum Inhalt

Aktuell

Die Dominanz immer weniger multinationaler Konzerne auf dem Weltagrarmarkt, die Privatisierung von biologischer Vielfalt mittels Patenten, die weitere Abnahme der Biodiversität auf und neben dem Acker und nun auch noch die drohende Deregulierung der neuen Gentechnik. Ungeachtet der sozialen und ökologischen Probleme, die das herrschende Agrarsystem verursacht, halten Politik und Konzerne weiterhin am Status Quo fest. Erneut wird versprochen, dass sich die Krisen vor allem mit Hilfe neuer (Gen-)Technologien bewältigen lassen. Dabei zeigt sich mit jedem heißen und viel zu trockenen Sommer auch in Europa überdeutlich, dass Züchtung und Landwirtschaft vor gewaltigen Herausforderungen stehen. Vielen ist inzwischen klar, dass wir uns ein „Weiter wie bisher“ nicht leisten können und neue Technologien allein keine Lösung sind. An vielen Orten suchen Menschen und Initiativen deshalb bereits nach neuen Wegen, wie sich Züchtung und Landwirtschaft ganz anders gestalten lassen. Auch in Österreich, der Schweiz und Deutschland.

Das Projekt Bauernparadeiser in Österreich etwa zeigt eindrücklich, wie Pflanzenzüchtung wieder zurück auf die bäuerlichen Betriebe gebracht werden kann. Ein Netzwerk von Erwerbsgemüsebäuer:innen, Forscher:innen und Pflanzenzüchter:innen arbeitet gemeinsam an Forschungsfragen und Zuchtzielen für ihre Tomaten, entsprechend den Bedürfnissen am jeweiligen Standort. Direkt auf den Betrieben wird dann selektiert und gekreuzt, um sicherzustellen, dass die vielfältigen Pflanzen optimal an den Standort angepasst sind und mit den spezifischen Bedingungen im Biolandbau (weniger externe Inputs, Resistenz gegenüber Schädlingen etc.) gut umgehen können. Da die tägliche Arbeit auf dem landwirtschaftlichen Betrieb oft einem anderen Rhythmus folgt als die langwierige Züchtungsarbeit, werden die Bäuer:innen von Projektmitarbeiter:innen und professionellen Pflanzenzüchter:innen begleitet. Dies soll sicherstellen, dass wissenschaftliche Fachkenntnisse mit traditionellem Erfahrungswissen im Umgang mit Pflanzen, Boden und Umwelt optimal kombiniert werden können. Das Projekt, welches eng mit ARCHE NOAH zusammenarbeitet, läuft seit 2010 und in diesem Jahr konnten die ersten Sorten auf den Markt gebracht werden. Das Projekt trägt also schon vielversprechende Früchte, die Rahmenbedingungen – vor allem die Finanzierung der Züchtungsarbeit – sollten allerdings noch angepasst werden.

Im Interview, das mit einer Forscherin aus der Schweiz geführt wurde, wird beschrieben, warum eine reduktionistische Sicht in der Züchtung, die sich alleine auf Gene oder Gensequenzen konzentriert, viel zu kurz greift. Viele Forschungsergebnisse zeigen inzwischen, dass Pflanzen auf vielfältige Weise untereinander – z. B. mittels Duftstoffen – kommunizieren sowie rege Austauschbeziehungen mit Tieren und dem Boden – etwa durch Mykorrhizapilze – eingehen. Dieses Wissen lässt sich auch züchterisch nutzen: Mischkulturen von Getreide und Körnerleguminosen, z. B. Gerste und Erbsen, werden züchterisch wieder gemeinsam bearbeitet, um diese Beziehungsnetze der Pflanzenarten optimal nutzen zu können.

Ein weiterer spannender Ansatz in der ökologischen Züchtung, der auf dem Dottenfelderhof bei Frankfurt verfolgt wird, ist die Entwicklung von offen-abblühenden Populationen bei Roggen und Mais als Alternative zu Hybridsorten (ev. Grafik aus Broschüre). Hierbei ist besonders die Nachbaufähigkeit – das Saatgut kann und darf im Gegensatz zu den Hybriden im Folgejahr wieder ausgesät werden – sowie die genetische Diversität wichtig, weil diese zu einer höheren Widerstandsfähigkeit z. B. gegenüber Krankheiten führt.

Für alle Arten von ökologischen Züchtungsprojekten ist klar, dass die Erhaltung der biologischen Vielfalt das Fundament dieser Arbeit bedeutet. Die aktuell immer schneller fortschreitende Patentierung von Genen, Gensequenzen und Pflanzen ist vor diesem Hintergrund äußerst kritisch zu sehen, da sie unsere Ernährungssouveränität massiv einschränken könnte.

Endgültige Lösungen für die Züchtung und den Anbau von Pflanzen unter schwieriger werdenden Bedingungen werden auch in den porträtierten Projekten nicht gefunden. Darum geht es aber auch nicht. Vielmehr werden Anregungen und Inspirationen für Bäuer:innen, Gärtner:innen und Züchter:innen gegeben und gezeigt, dass andere Entwicklungspfade möglich sind, jenseits der Gen- und Biotechnologie und den dazugehörigen rechtlichen, wirtschaftlichen und unternehmerischen Strukturen.

Die neue Broschüre als Download: Vielfältige Züchtungsinitiativen statt Deregulierung der neuen Gentechnik

zum Anfang der Seite