Gesundheit

Kretschmann sieht Bluttest auf Down-Syndrom kritisch

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei seiner Rede zur Eröffnung des Sommerfestes der Landesvertretung in Brüssel

Ministerpräsident Winfried Kretschmann sieht den neuen Bluttest, mit dem das Down-Syndrom bei ungeborenen Kindern festgestellt werden kann, kritisch. Ein gesetzliches Verbot solle aber nicht angestrebt werden, sagte er in einem dpa-Interview.

dpa: Die Konstanzer Firma LifeCodexx will noch in diesem Monat einen vorgeburtlichen Bluttest auf Trisomie 21 auf den Markt bringen. Was halten Sie davon?

Winfried Kretschmann: Ich sehe das aus ethischen Gründen durchaus kritisch. Denn der Bluttest bezieht sich auf eine Krankheit, die man nicht heilen kann.

dpa: Wollen Sie das verbieten?

Kretschmann: Nein, wir hätten wahrscheinlich nicht mal die Möglichkeit dazu. Denn was schon bisher möglich und erlaubt ist, sind Fruchtwasseruntersuchungen mit demselben Ziel. Jede 200. Fruchtwasseruntersuchung führt zum Abgang des Fötus. Aus diesem Gesichtspunkt heraus ist der Bluttest eine Verbesserung. Jetzt das zu verbieten, was ungefährlicher ist für den Fötus, macht keinen Sinn. Pragmatisch wäre es ein nicht hinnehmbarer Widerspruch.

dpa: Sie könnten ja auch die Fruchtwasseruntersuchung verbieten.

Kretschmann: Ob man die Fruchtwasseruntersuchung verbieten kann, ist fraglich. Letztlich geht es um die Frage "Abtreibung ja oder nein". Wir wissen, dass 90 Prozent der Frauen, bei denen die Fruchtwasseruntersuchung positiv verläuft, abtreiben. Das sind ganz seltene Fälle eines fast unauflösbaren Dilemmas und moralische
Probleme, die der Staat nicht lösen kann. Diese Gewissensentscheidung kann nicht vom Staat getroffen, sondern muss der betroffenen Frau überlassen werden.

dpa: Was kann der Staat denn machen?

Kretschmann: Was man machen kann: zum Beispiel durch Inklusion unser Verhältnis zu Behinderten ändern.

dpa: Für Aufregung sorgt auch das Kölner Urteil gegen Beschneidungen von Jungen. Der Bundestag hat sich am Donnerstag dafür stark gemacht, religiöse Beschneidungen zu legalisieren. Wie sehen Sie das?

Kretschmann: Das Urteil stellt einen tiefen Eingriff in die Religionsfreiheit dar, die durch das Grundgesetz geschützt ist. Es wäre das Beste, wenn wir schnell eine höchstrichterliche Klärung durch das Bundesverfassungsgericht hätten. Weil so ein Urteil unter Umständen sehr lange dauert, werden wir wohl auch eine gesetzliche Regelung machen müssen, die den Kern der Religionsfreiheit sichert.

dpa: Aber würde ein solches Gesetz nicht auch die Genitalverstümmelung von Mädchen legalisieren?

Kretschmann: Nein, die weibliche Genitalverstümmelung ist nirgendwo eine religiöse Vorschrift, sondern das sind reine Traditionen in manchen Ländern. Der Schutz der Religionsfreiheit greift da nicht. Und wo es um Verstümmelung geht, greift der Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Die Religionsfreiheit hätte dort ihre Grenze. Es ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Beschnittene Männer sind ja nicht in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt. Das ist bei der weiblichen Genitalverstümmelung ein fundamentaler Unterschied.

Quelle:

dpa
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