Begründete "Ungleichbehandlung"

Die Unvergleichbarkeit von Samen- und "Eizellspende"

Während die Samenspende legal ist, verbietet das Embryonenschutzgesetz (ESchG) die Abgabe von Eizellen in Deutschland. Immer wieder argumentieren Befürworter*innen der Legalisierung der sog. Eizellspende, das Verfahren müsse als Gegenstück zur  Samenspende betrachtet und somit ebenfalls erlaubt werden. Auch die Bundestagsfraktion der FDP stellt diesen Vergleich auf und spricht in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des ESchG von einer „Ungleichbehandlung […], die nicht mehr zu rechtfertigen ist.“

Eine oberflächliche Betrachtung ergibt: Sowohl bei der „Spende“ von Eizellen als auch von Spermien geben Menschen Keimzellen ab, damit diese zur Realisierung des Kinderwunsches anderer Menschen beitragen können – das wirkt zunächst ähnlich. Eine genauere Analyse der biologischen Voraussetzungen und der reproduktionsmedizinischen Verfahren verdeutlicht jedoch schnell, dass es bedeutsame Unterschiede zwischen der Samen- und Eizellabgabe gibt, die eine separate Beurteilung und daraus resultierende verschiedene Rechtslagen begründen.

Interessanterweise ziehen Fürsprecher*innen der Legalisierung den Vergleich mit der Samenspende nicht heran, wenn es um die gesundheitlichen Risiken der Eizellgeber*innen geht. Dabei lohnt sich hier eine Gegenüberstellung der beiden Verfahren, weil sie verdeutlicht, wie viel risikobehafteter und invasiver die Gewinnung von Eizellen ist.
Hingegen nutzen Befürworter*innen der Legalisierung gern den Vergleich mit der Samenspende, um sich über das veraltete Argument der „gespaltenen Mutterschaft“ zu empören und es als eine nicht zu rechtfertigende „Ungleichbehandlung“ der Geschlechter1 darzustellen.

„Ungerechtigkeit“ als Scheinargument

So spricht auch die FDP-Fraktion in ihrem Gesetzentwurf zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes unter der Überschrift „Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ von einer „Ungleichbehandlung […], die nicht mehr zu rechtfertigen ist“.
Diese Argumentation greift zurück auf die Begründung des Entwurfs für das Embryonenschutzgesetz von 1989. Darin wird das dringende Anliegen formuliert sog. gespaltene Mutterschaften, „bei denen genetische und biologische Mutter nicht identisch sind“, zu verhindern. Die Autor*innen gingen von einer „erschwerten Identitätsfindung“ bei Kindern, deren Existenz auf drei Elternteile – den Vater, die genetische und die biologische Mutter – zurückzuführen ist, aus.

Dass die Samenspende zum Entstehungszeitpunkt des ESchG bereits legal praktiziert wurde und die Bedeutung von „gespaltenen Vaterschaften“ für die so gezeugten Kinder nicht als besorgniserregend eingestuft wurde, war tatsächlich nicht „gerecht“. Diesen Vergleich aufzustellen verdeutlicht im Rückblick die tradierten binären Geschlechterrollen bezüglich Fortpflanzung und Familie, die den Diskurs und die Gesetzgebung vor 30 Jahren geprägt haben.

Um das Argument der zu vermeidenden „gespaltenen Mutterschaft“ zu entkräften, ist ein Blick in aktuelle Studien sicherlich besser geeignet als der Verweis auf eine „Ungleichbehandlung“ der Geschlechter. Viele Studien haben inzwischen gezeigt, dass die soziale Eltern-Kind-Beziehung ausschlaggebend ist und die Entwicklungen von Kindern, die mithilfe einer Keimzellspende entstanden sind, vergleichbar sind mit denen von Kindern, die genetisch und biologisch ausschließlich mit ihren zwei Elternteilen verwandt sind. Der Medizinische Arbeitskreis vom Landesverband Pro Familia NRW schreibt: „Lediglich die Tatsache, ob eine Aufklärung über die Art der Familiengründung zeitnah und kindgerecht erfolgt und es die Möglichkeit gibt, die genetische Herkunft nachzuverfolgen, scheint Einfluss auf die seelische Gesundheit der so gezeugten Kinder zu haben.“2

An dieser Stelle endet der Vergleich von Samen- und Eizellabgaben seitens der Legalisierungsfürsprecher*innen. Sie argumentieren: Weil für potentielle zukünftige Kinder, die mit einer abgegebenen Eizelle gezeugt werden, keine nennenswerten Nachteile zu bestehen scheinen, sollte jede Person sich selbstbestimmt für die Abgabe der eignen Keimzellen entscheiden dürfen.

Echte Unterschiede

Diese Argumentation blendet aus, dass es relevante biologische und medizinische Unterschiede zwischen der Abgabe von Spermien und von Eizellen gibt.

Spermien können kontinuierlich nachproduziert werden. Der Vorrat an Eizellen einer Person ist von Geburt an angelegt und zahlenmäßig begrenzt. Die Qualität der Eizellen nimmt mit dem Alter ab. Das Fruchtbarkeitsfenster von Menschen mit Eizellen ist in der Regel kürzer als das von Menschen mit Samenzellen.

Spermien können ohne medizinische Eingriffe abgegeben werden. Passiert dies über eine Samenbank, so können nach einem medizinischen Eignungscheck der spendenden Person und einer Untersuchung der Spermienqualität regelmäßig Abgaben erfolgen. Ein Ejakulat enthält etwa 20 bis 150 Millionen Samenzellen, die im Labor untersucht und aufbereitet werden können.
Damit mehrere Eizellen gleichzeitig heranreifen, muss mit einer Hormonstimulationstherapie in den Zyklus der eizellgebenden Person eingegriffen werden. Diese Behandlung dauert etwa zwei Wochen und geht mit gesundheitlichen Risiken einher. Ziel ist es ca. 10 bis 15 Eizellen pro Behandlungszyklus zu gewinnen; Zum Vergleich: Der Durchschnittswert gewonnener Eizellen pro Zyklus bei IVF-Behandlungen in Deutschland lag im Jahr 2019 bei knapp 9 Eizellen (davon etwa 7,5 reife Eizellen). Umso mehr Eizellen gewonnen werden sollen, desto stärker muss hormonell stimuliert werden. Jüngere Personen – also geeignete Spender*innen – scheinen zudem anfälliger für Überreaktionen zu sein. Die Nebenwirkungen der hormonellen Stimulation können von Spannungsgefühl, Unwohlsein, Übelkeit und Erbrechen bis zu einer schwerwiegenden Ausprägung des sog. Ovariellen Hyperstimulationssyndroms (OHSS) reichen. Dieses geht einher mit angeschwollenen Eierstöcken (Ovarien), einer Flüssigkeitsansammlung im Bauchraum (Aszites) und weiteren Symptomen, die im Krankenhaus behandelt werden müssen und lebensbedrohlich sein können.

Spermien können unkompliziert aus dem in einem Becher aufgefangenen Ejakulat gewonnen werden. Die Entnahme der herangereiften Eizellen erfolgt per Punktion durch die Vagina der spendenden Person und findet in der Regel unter Narkose statt. Es handelt sich also um eine kleine Operation, die ebenfalls risikobehaftet ist.

Im Gegensatz zur Samenabgabe handelt es sich bei der „Eizellspende“ dementsprechend nicht nur um einen fremdnützigen, sondern um einen längerfristigen, invasiven, potentiell gesundheitsgefährdenden, medizinischen Eingriff.

Befürworter*innen der Legalisierung spielen die gesundheitlichen Risiken für Eizellgeber*innen häufig herunter und preisen die Verbesserung der Hormonstimulationsverfahren an. So geht Katrin Helling-Plahr, federführende FPD-Abgeordnete des Gesetzentwurfs, in der Gesetzbegründung gar nicht auf die gesundheitlichen Risiken für potentielle Spender*innen ein. Im Tagesspiegel Background erwähnt sie in einem Halbsatz, die heute genutzten Verfahren zur Hormonstimulation vor einer Spende seien „sehr schonend und risikoarm“. Aus den im Vergleich zu früher niedrigeren Komplikationsraten lässt sich aber nicht die Legalisierung der „Eizellspende“ als logische Schlussfolgerung ableiten. Eine gesundheitliche Gefährdung für die spendende Person kann nicht ausgeschlossen werden, es ist ein fremdnütziger medizinischer Eingriff ohne gesundheitlichen Vorteil für die Eizellgeber*innen selbst.3

Wie auch in der Begründung zum Gesetzentwurf der FPD stellen Befürworter*innen der Legalisierung der Eizellabgabe in Deutschland keinen tatsächlichen Vergleich der beiden Keimzell“spenden“ an, sondern versuchen die legale Samenabgabe als logisches Äquivalent der „Eizellspende“ darzustellen. Dieses Bild wird den tatsächlichen Unterschieden der beiden Verfahren wie oben erläutert jedoch nicht gerecht. Die Legalisierung der Eizellabgabe kann also nicht als überfällige Anpassung aus der Rechtslage und Praxis der Samenspende abgeleitet werden.

 

  • 1In der Diskussion und Praxis der Reproduktionsmedizin herrscht ein binäres Verständnis von Geschlecht vor. Es drückt sich in der Sprache von Gesetzen, Informationsmaterialien und dem Großteil der Berichterstattung zum Thema aus. Die zweigeschlechtliche Einordnung in „männliche Samenspender“ und „weibliche Eizellspenderinnen“ wird der Realität geschlechtlicher Vielfalt nicht gerecht. Dieser Artikel bemüht sich um eine gendergerechte Sprache.
  • 2Der Verein Spenderkinder e.V. (www.spenderkinder.de) hinterfragt in seiner Stellungnahme zum FDP-Gesetzentwurf aus Betroffenenperspektive, ob die Studienlage wirklich belastbar ist. Dort heißt es: „Zwar gibt es Studien, nach denen Kinder und Jugendliche, die mit vermittelten Eizellen oder Samen entstanden sind, psychopathologisch unauffällig sind und sozial funktionieren. Vom Funktionieren kann jedoch nicht auf das subjektive Erleben der Spenderkinder geschlossen werden. Von durch Samenvermittlung gezeugten Menschen weiß man, dass die Entstehungsweise –wie auch bei adoptierten Menschen – häufig erst im Erwachsenenalter an Bedeutung gewinnt“, das Verfahren der „Eizellspende“ sei also noch zu jung, um entsprechende Aussagen über das Erleben und die Bedürfnisse so gezeugter Kinder treffen zu können.
  • 3Eine ausführlichere Beschreibung der potentiellen Nebenwirkungen und Komplikationen, sowie Informationen zur lückenhaften Studienlage bezüglich möglicher Langzeitfolgen für die Gesundheit und Fruchtbarkeit von Eizellspender*innen, enthält die GeN-Stellungnahme zum Gesetzentwurf zur Änderung des ESchG der FDP unter www.gen-ethisches-netzwerk.de/stellungnahmen/februar-2021/verbot-der-ei…
3. Februar 2021

Taleo Stüwe ist Mediziner*in und Mitarbeiter*in des GeN.

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Zum Gesetzentwurf zur Änderung des ESchG „Kinderwünsche erfüllen, Eizellspenden legalisieren“ von der FDP-Bundestagsfraktion fand am 27. Januar 2021 eine Anhörung im Ausschuss für Gesundheit statt, bei der auch das GeN vertreten war.

Eine Aufzeichnung der Anhörung sowie alle schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen sind auf der Seite des Deutschen Bundestag zu finden.

Stellungnahme des Gen-ethischen Netzwerks zum Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Embryonenschutzgesetzes – Kinderwünsche erfüllen, Eizellspende legalisieren (Drucksache 19/17633)

 

Reproduktionsmöglichkeiten mit Samenspende
Samenspenden werden in homolog (Sperma des Partners, im Sinne einer Paarbeziehung) und heterolog (Sperma einer anderen bekannten oder unbekannten Person) unterschieden.

Zur Art und Weise der Insemination (Samenübertragung) gibt es unterschiedliche Methoden:

Eigen-Insemination: Die „Bechermethode“
Die Eigen-Insemination (auch Heim- oder Selbst-Insemination) erfolgt durch die Person(en) mit Kinderwunsch selbst, zeitlich nahe dem Eisprung der Person, die schwanger werden möchte. Das Sperma stammt von einer bekannten Person („privater Spender“). Diese ejakuliert in einen Becher (z.B. Urinbecher aus der Apotheke) und das Sperma wird anschließend in die Vagina der Person übertragen, die schwanger werden möchte. Dies kann zum Beispiel mit Hilfe einer Spritze, einer Cervixkappe, einem Diaphragma oder einer Menstruationstasse erfolgen. Die Schwangerschaftsraten nach Eigen-Insemination scheinen in etwa vergleichbar mit denen nach einer Insemination durch Geschlechtsverkehr. Studien hierzu gibt es bisher nicht.

Medizinisch Assistierte Reproduktion
1. Intrauterine Insemination (IUI): Samenübertragung in den Uterus

Bei dieser Methode wird das aufbereitete Sperma einer Samenbank i.d.R. von einer ärztlichen Person mithilfe eines Katheters zum Zeitpunkt des Eisprungs in den Uterus der Person übertragen, die schwanger werden möchte. Erfolgt die IUI ohne Hinweise auf eine eingeschränkte Fruchtbarkeit der empfangenden Person, kann die Insemination im natürlichen Zyklus vorgenommen werden, eine zusätzliche Hormonbehandlung erhöht ggf. die Wahrscheinlichkeit schwanger zu werden.
2. Künstliche Befruchtung außerhalb des Körpers
In diesem Fall werden die Spermien und Eizellen im Labor zusammengebracht. Dafür werden mehrere Eizellen gleichzeitig per Hormontherapie zur Reifung stimuliert und anschließend per transvaginaler Punktion unter Anästhesie entnommen. Sowohl die Hormontherapie als auch die Eizellpunktion gehen mit gesundheitlichen Risiken einher. Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) werden die Spermien und Eizellen in einem Reagenzglas zusammengebracht, die befruchteten Eizellen werden einige Tage beobachtet und eine bis maximal drei von ihnen werden je nach Reifegrad drei bis fünf Tage nach der Befruchtung in den Uterus übertragen (sog. Embryotransfer). Eine Sonderform der IVF ist die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), bei der ein einzelnes reifes Spermium unter dem Mikroskop direkt in eine Eizelle injiziert wird. Die befruchtete Eizelle wird anschließend untersucht und ggf. in den Uterus gebracht.

Mehr Informationen gibt es z.B. im „Ratgeber: Künstliche Befruchtung bei gleichgeschlechtlichen Paaren“ des Lesben- und Schwulenverbands Deutschland (LSVD)

 

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